Vom Dekantieren von gutem Wein

Von Rolf Reichmuth – „Wer dekantiert, kapituliert“, sagen die einen, was sich auf französisch so anhört: „Qui décante déchante.“

„Das Dekantieren ist mehr als eine Zeremonie, es ist eine Notwendigkeit“, antworten die Anderen.

Man kommt der Wahrheit am nächsten, wenn man in Präzisierung der zweiten Antwort sagt, dass bei einer bestimmten, kleinen Kategorie von Gewächsen das Umgiessen notwendig ist und bei gewissen andern man in eine Karaffe umfüllen kann. Wo liegen die Gründe und Grenzen?

Louis Pasteur hat uns das Wissen vom Einfluss der Luft auf Wein beschert. Luft kann nämlich sowohl der grösste Feind wie auch der beste Freund des Weines sein. Und was scheinbar widersprüchlich tönt, ist in Wirklichkeit nur eine Frage des Masses. Wenig Sauerstoff entwickelt Bouquet und Geschmackstoffe, zuviel dagegen zerstört den Wein, weil er die Ausbreitung von Essigbakterien fördert.

Für qualifizierte Jahrgangsweine aus dem Bordelais, dem Burgund und dem Rhonetal gilt: Rote, tanninreiche Weine setzen nach 5- und mehrjährigem Flaschenlager ein Depot (Bodensatz) ab, das nach längerem Ausbau auf dem Glas zunimmt.

Dieser Ausfall an Tannin und Farbstoff setzt sich im Alter auf dem Flaschenboden ab und nimmt einen üblen Geschmack an, der durch Vermischung mit dem gereiften Wein dessen Bouquet bis zur Ungeniessbarkeit beeinträchtigen kann. (Die Franzosen nennen das übrigens <em>décomposition</em>, was nichts Anderes als „Verwesung“ heisst).

Aus diesem Grunde müssen depothaltige Weine dekantiert werden.

Jene Fälle, wo dekantiert werden kann, betreffen jung konsumierbare Rotweine, die eine gute Konstitution (Körper und Alkohol) aufweisen und schon vor ihrer Reife getrunken werden. Die Luftzufuhr ermöglicht ihnen, einige ihrer noch verborgenen Bouquetstoffe herauszubringen. Hierzu benötigen sie 2-3 Stunden in der offenen Karaffe.

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